Photokatalytische Beschichtung mit Titandioxid – was bringt es?

Ein Hochhaus mit absolut sauberer Glasfassade, womöglich durch eine photokatalytische Beschichtung mit Titandioxid.Foto: © MichaelGaida, Lizenz: Creative Commons CC0 1.0, Quelle: pixabay.com

Haben Sie schon einmal davon gehört, dass sich Fassaden selbst reinigen? Das ist dank modernster Forschung tatsächlich möglich. Verantwortlich dafür ist eine photokatalytische Beschichtung mit Titandioxid. Wie das funktioniert, welche Vorteile es noch mit sich bringt und wo sich das Ganze sonst einsetzen lässt? Wir erklären es Ihnen hier!

Was braucht es für eine photokatalytische Reaktion?

Photokatalytische Oberflächenbeschichtung – hinter diesem hochwissenschaftlich klingenden Begriff verbirgt sich ein wirklich spannender Prozess. Was passiert dabei? Welche Reaktionen entstehen dadurch? Wir wollen Ihnen die Vorgänge im Folgenden zumindest einmal grob erklären.

Gibt es überhaupt “die Photokatalyse”?

Der Begriff “Photokatalyse” ist noch nicht vollumfänglich geklärt, um nicht zu sagen umstritten. Anfang des 20. Jahrhunderts etwa definitierte I.S. Plotnikow den Vorgang recht simpel als “jede durch Licht ausgelöste chemische Reaktion”. Sein Kollege Vincenzo Balzani hingegen ging etwas mehr ins Detail: “Photokatalyse ist jede kinetisch gehemmte, exergonische Reaktion zwischen zwei Partnern A und B, die durch Lichtanregung induziert wird.”

Beide Ansätze sind jedoch problematisch, da der Begriff Katalyse gemäß Wilhelm Ostwald wie folgt definiert wird: Es gibt Stoffe, die regen bei schon geringer Menge die Geschwindigkeit einer chemischen Reaktion an. Dabei sind diese vor und nach der Reaktion in unveränderter Menge vorhanden, waren aber dennoch vorübergehend an der Reaktion beteiligt. Licht bzw. dessen Energie wird jedoch während der umschriebenen chemischen Prozesse tatsächlich verbraucht. Dennoch bezeichnet man den Vorgang bislang als Photokatalyse.

Das Fraunhofer Institut in München hat sich u.a. auf dieses Verfahren spezialisiert und gibt dazu folgende Erläuterung ab: Die Photokatalyse ist demnach eine Umwandlung von chemischen Substanzen unter dem Einfluss von Licht. Dabei absorbiert ein Photokatalysator die Energie der Lichtes, welche auf eine reaktive Verbindung übertragen wird. Dadurch wird wiederum eine chemische Reaktion ausgelöst. Aus ihr resultieren in den meisten Fällen Radikale.

Titandioxid – der häufigste Photokatalysator

Für diese Reaktionen eignen sich als Photokatalysatoren Metallkomplexe und Halbleiter. Am gebräuchlichsten ist dabei das sogenannte Titandioxid, eine Verbindung aus Titan und Sauerstoff, welche einen Halbleiter ergeben. Man kennt es bereits als Weißpigment in Wandfarben oder der Zahncreme.

Der große Vorteil des Titandioxids ist, dass es sehr günstig und einfach in großen Mengen hergestellt werden kann. Zudem ist es kompatibel mit vielen verschiedenen Produkten, lässt sich einfach in diese einbetten oder sie damit beschichten.

Was bewirkt die Photokatalyse?

Kommen nun also ein Photokatalysator wie das Titandioxid und UV-Strahlen zusammen, wird ein chemischer Prozess in Gang gebracht. Dabei werden sogenannte Radikale gebildet, aggressive chemische Substanzen. Sie greifen wiederum organische und anorganische Stoffe an. Am Ende dieses Vorgangs bleiben meist nur Wasser und Kohlenstoffdioxid übrig, während die anderen Beteiligten zersetzt wurden.

Wichtig dabei ist zu erwähnen, dass das Titandioxid sich in diesem Ablauf nicht verbraucht. Es bleibt in genau der gleichen Menge vorhanden, ist aber in den chemischen Prozess involviert. Eine faszinierende Vorstellung, die nicht nur auf dem Papier funktioniert, sondern bereits Realität ist.

Wie wird die Photokatalyse genutzt?

Der größte Vorteil der eben beschriebenen Vorgänge ist der Abbau organischen Materials auf Oberflächen. Wird ein Bereich also mit einem Katalysator wie Titandioxid beschichtet, kann dadurch mikrobieller Bewuchs vermieden werden, woraus eine Art Selbstreinigung resultiert. Auch im Bereich der Luftreinheit und Wasseraufbereitung kann eine solche photokatalytische Oberflächenbeschichtung sich positiv auswirken.

In Japan werden beispielsweise Straßen, Tunnelwände und Lampengläser bereits photokatalytisch beschichtet. Das hat viele Vorteile für die Qualität der Luft, da sich Schadstoffe so besser herausfiltern lassen. Auch in Deutschland findet ein solches Umdenken inzwischen statt. Hier sind potentielle Anwendungsbereiche zum Beispiel die Medizin, die Automobilbranche, die Baubranche oder auch die Lebensmittelindustrie. Wir wollen im Folgenden einige Einsatzgebiete genauer vorstellen.

Photoaktive Baustoffe

Mit dem Ziel, gesundheitsschädliche Stoffe wie z.B. Stickstoffdioxid (NO2) in der Umgebungsluft effektiver und schneller zu reduzieren, gibt es inzwischen spezielle Dachziegel und Pflastersteine. Während die Dachmaterialien mit einer dünnen Titandioxid-Schicht versehen sind, wurde in die Bodenbaustoffe der Photokatalysator dauerhaft eingebunden.

Beide Varianten tragen wie gesagt zu einer besseren Luftqualität bei – aber wie? Treffen zum Beispiel die Schadstoffe aus den Abgasen der vielen Fahrzeuge auf die behandelten Pflastersteine bzw. Betonoberflächen, setzt das Titandioxid eine Umwandlung in Gang. Diese würde zwar ohnehin stattfinden, aber durch den katalytischen Effekt wird diese Reduzierung um das bis zu 30-fache beschleunigt. So können deutlich mehr Schadstoffe aus der Luft entnommen werden.

Photoaktive Beschichtungen

Nicht nur der Boden und das Dach können mit diesem Effekt ausgestattet werden. Es gibt inzwischen auch Farben, Putze, transparente Beschichtungen uvm. So können beispielsweise Fassaden mit dem entsprechenden Titandioxidpigment angereichert sein. Dieses unterstützt den Abbau von sowohl Schadstoffen, als auch organischen Schmutzpartikeln. Das bedeutet, dass Algen, Flechten, Pilze usw. zersetzt werden und somit die Fassade dauerhaft sauber bleibt.

Auch im Innenbereich findet dieser Vorteil Anklang. Neben dem verbesserten Raumklima durch den verstärkten Schadstoffabbau aus der Luft können sich auch keine Partikel an Wänden und Oberflächen festsetzen, die schlechte Gerüche hervorrufen. Vorbei ist also mit kaltem Zigarettenrauch oder hässlichen Bratenfettflecken. Zudem hat eine photokatalytische Beschichtung mit Titandioxid auch eine antimikrobielle Wirkung, weswegen Schimmelbefall deutlich verringert wird.

Zu guter Letzt gibt es auch transparente Oberflächenbeschichtungen mit diesem speziellen Effekt. Diese werden auf Gläsern, Kunststoffen und Metallen angewendet. So kann Fensterglas damit veredelt werden, genauso wie Leuchtmittel oder Spezialgläser ganz unterschiedlicher Bereiche. Eingesetzt wird das Ganze etwa in der Medizin (wegen der antibakteriellen Wirkung, z.B. zum Desinfizieren oder bei Implantaten) oder im Bereich der Automotive (auf Rückspiegeln sammelt sich nicht länger Schmutz). Auch Solarmodule profitieren von der starke Schmutzresistenz, sorgt diese doch für eine Anti-Beschlags- bzw. -Fog-Funktion.

Hat die photokatalytische Beschichtung auch Nachteile?

Bis hierher klingt das Ganze fast schon zu schön, um wahr zu sein? Dann haben Sie eine gute Intuition. Denn auch wenn die Photokatalyse mit Titandioxid zahlreiche Vorteile mit sich bringt, so hat sie auch einen Haken. Denn die entstehenden Radikale können nicht gezielt eingesetzt werden. Das bedeutet, es können auch Stoffe, die man eigentlich schützen will, von diesen angegriffen werden. Das Fraunhofer Institut hat das bereits anhand von Kunststoff-Gartenstühlen getestet. Diese wurden beschichtet und blieben dadurch lange Zeit sauber. Allerdings wurde auch das Plastik immer instabiler.

Damit man also die Vorteile einer solchen Oberflächenbeschichtung nutzen kann, braucht es zunächst eine schützende Grundierung. Dieser zusätzliche Schritt macht das ganze Verfahren wieder um einiges aufwendiger und auch kostspieliger. Darum wird es noch nicht überall eingesetzt, wo es vielleicht nützlich sein könnte. Doch die bereits erwähnten Oberflächen (z.B. Außenfassaden, Dachziegel, Pflastersteine oder auch Kacheln) halten dem Prozess stand und sollten darum gerade auch von Bauherrn näher ins Auge gefasst werden. Schließlich erzielt diese Investition zahlreiche Vorteile!

Quellen
www.wikipedia.org/wiki/Photokatalyse
www.igb.fraunhofer.de/…/Photokatalytische_Oberflaechen__Herstellung_Charakterisierung_und_Bewertung.pdf
www.deutschlandfunk.de/sauber-durch-sonnenlicht-photokatalytische-oberflaechen.676.de.html?dram:article_id=372066
www.vdmi.de/…/photoaktive-baustoffe.html
www.vdmi.de/…/photoaktive-coatings.html